Wohin gehen die aktuellen Trends zwischen Gestaltung und Technik?

26.08.14, 10:55

Medienkonvergenz und Mediendesign

Nicholas Negroponte vom MIT hatte in den 1990er Jahren prognostiziert, dass sich Computer und Fernseher annähern und vielleicht zu einem Gerät verschmelzen würden. Wenn verschiedene Teile zu etwas Neuem, Gemeinsamen werden, spricht man von Konvergenz und hier im Bereich der technischen Kommunikation von Medienkonvergenz. Inzwischen ist klar, dass das Internet tatsächlich bewirkt hat, dass verschiedene kommunikative Welten zusammengeführt wurden. Die Konvergenz, die technologische Angleichung, schreitet allerorten fort und hat direkt mit den Trends im Webdesign zu tun.

Aleks Dorohovich

© Aleks Dorohovich

Sieht man sich die Trends im Mediendesign an, fallen drei Dinge auf:

  1. Manchmal finden sich unter neuen Schlagwörtern und Begriffen bereits bekannte oder technisch mögliche Ideen, die deshalb Relevanz und ein neues Label bekommen haben, weil sie kombiniert mit einer weiteren neu entstandenen Technologie im Webdesign Vorteile bringen.
  2. Die Mobilität der Kommunikation wird immer wichtiger und schafft eine fortwährende Flexibilität in der Interaktion zwischen Nutzer und Gerät. Basierend auf Webtechnologien und Webfunktionalitäten ist es möglich, dass kleine Start-ups mit geringer personeller Ausstattung die Weichen für wirklich Neues stellen können.
  3. Das Internet und Endgeräte wie Smartphones und Tablets übernehmen Bereiche, die traditionell das Printdesign abgedeckt hat. Augenfällig ist das bei Nachschlagewerken wie den Gelben Seiten oder Lexika. Andererseits bietet der Print-Bereich immer neue Veredelungstechniken und macht sie einem Massenmarkt erschwinglich – oft wieder unter Zuhilfenahme des Vertriebskanals „Web“. Natürlich kann es zwischen der virtuellen Welt des Internets und der physischen des Gedruckten keine Konvergenz geben, wohl aber eine Annäherung über die Nutzung der Mittel und eine sinnvollen Ergänzung. Medienkampagnen zwischen TV, Social Media, Web und Print sind deshalb hochgradig integriert und komplexer geworden.

Das mobile Web: Responsiv und flexibel auf jedem Bildschirm

Ob Video-Player, Bilder-Slider oder Navigationselement, alles kann sich in Größe und sogar Form verändern und damit der Größe des Bildschirms des Ausgabegerätes der Webseite Rechnung tragen. Dabei hat sich die alte Computerwelt quasi auf den Kopf gestellt. War früher der PC mit seinem inzwischen immer größeren Bildschirm der Standard, heißt es inzwischen „Mobile first!“, was technologisch bedeutet, dass dateigrößenmäßig kleine spartanische Webseiten für Smartphones der Standard sind und für Endgeräte mit größeren Bildschirmen bzw. Desktopgeräte mit schnellen Prozessoren weitere Elemente dynamisch nach einer blitzschnellen Analyse des Endgerätes hinzugeladen werden. Konnte das Aussehen der Webseite in vergangenen Zeiten – was z.B. Schriften, Farben und allgemein die grafische Darstellung anbelangte – von Gerät zu Gerät zufallsbedingt äußerst unterschiedlich ausfallen, ist dies nun ein gesteuerter Vorgang. Der Webdesigner geht von einem mobilen reduzierten Interfacedesign aus und fügt weitere Elemente und Funktionalitäten für größere Darstellungen hinzu. Das Thema „Responsive Design“ wird immer weiter um sich greifen und erfasst im Moment auch Bilder („Responsive Images“) oder Videos: alles, jedes Medienformat, wird sich zukünftig dem darstellenden Bildschirm besser anpassen. „Fullscreen-Design rules!“

Pageless Design: Die neue „strukturlose“ Navigation im Web

Zum Thema „Mobiles Web“ oder „Web auf kleinen Bildschirmgrößen“ gehört auch das sogenannte „One-Page-Design“ oder „Single-Page-Design“, das nicht mehr die klassische Navigation verwendet, die auf einzelne Seiten führt, sondern auf einer Webseite alles vereinigt, was die Inhalte vermittelt. Das ist das neue „Pageless Design“, das im Moment oft über das Parallax-Scrolling/Vertical-Scrolling funktioniert aber auch andere Möglichkeiten bietet. Parallax-Scrolling, also die vertikale Navigation von Seitenbereich zu Seitenbereich, war so ähnlich immer schon möglich, ebenso das horizontale Scrollen von Seite zu Seite. Auch aus der Game-Entwicklung war es bekannt. Nur hatte es sich für Internetseiten bisher nicht durchgesetzt, aber mit HTML5/CSS3 wurden neue mächtige Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die die Realisierung programmiertechnisch ermöglicht haben.

Sensorisches Interface-Design: Gestensteuerung und „Leap Motion“ als Navigation

Die klassischen Ausklappmenüs scheinen so langsam passé. Das mobile Web arbeitet mit Gestensteuerung, Video-Playstations arbeiten mit Augensteuerung, Sprachsteuerung als Befehlseingabe und im Zusammenhang mit Suchfunktionen ist das schon länger ein Thema. Das User-Interface, das auf einem Klick basierte, ist im Zeitalter der Touchscreens anachronistisch geworden. Kleine Bildschirme schreien quasi nach Sprachsteuerung, weil sie zu wenig Platz für Navigationselemente haben. Kleine Bildschirme verzahnen die sensorischen Möglichkeiten des Menschen noch enger mit der Technik. Die Technik schafft in ihrer Anpassung an den Menschen eine ganz eigene Art der Konvergenz – und der Mensch lernt, dass er mit Wischern und Gesten, die Webseite schneller erschließen kann.

Rayi Christian W

© Rayi Christian W

Reduktion: Das Design wird einfacher und funktionalistischer

Einhergehend mit den kleinen Bildschirmen, die viel vereinfachen und leisten sollen, besinnt sich das Design auf alte Prinzipien der Vereinfachung und Reduktion auf das Wesentliche. Das hatte aber schon die Kunstschule „Bauhaus“ (von 1919 bis 1933) propagiert und alle Grafik-Design-Koryphäen haben es seitdem gepredigt – die überladenen Webseiten konnte das dennoch nicht verhindern. Nun aber haben technische Notwendigkeiten auf breiter Front zum „Flat Design“ geführt, zum neuen Nachdenken über Funktionalitäten, die im Mittelpunkt stehen sollen und über Simplizität in Designfragen. Vorreiter war hier das Windows-8-Interface, auch wenn das Windows-Betriebssystem selbst für die mobile Welt aus der Mode gekommen ist.

Infografiken: Die visualisierte Datenflut

Die Menschheit weiß immer mehr, das Internet macht dieses Wissen verfügbar und auswertbar. So verwundert es nicht, dass immer mehr Daten auch visualisiert werden. So wie Archäologen riesige Dinosaurier-Skelette ausgraben, werden in fernen Zeiten Internetnutzer meterlange Infografiken bewundern, die heutzutage modern geworden sind. Dahinter steckt journalistisch gesehen die Ambition, Komplexität grafisch aufzubereiten und erfahrbar zu machen. Und tatsächlich ist es ja im Zeitalter des Bildes und seiner Wirkung wichtig, die teils unsichtbare oder unübersichtliche Datenflut zu visualisieren. Wie in der mittleren Phase des Web, als die technischen Möglichkeiten größer geworden waren und sich ein Design mit dreidimensionaler Anmutung durchgesetzt hatte, werden Infografiken gestaltet und über die sozialen Medien geteilt, die kaum noch zu erfassen sind. Dies wird sich ebenfalls auf ein gesundes Mittelmaß reduzieren, eben auch, weil zu lange Grafiken mobil nicht gut zu konsumieren sind. Die Infografik als wichtiger Baustein indes ist nicht mehr wegzudenken und erfüllt gut gemacht eine informativen Zweck: Anstatt viel zu lesen, genügt dem Leser ein Blick auf das visuell eindrucksvolle Datenmaterial.

Nadir Balcikli

© Nadir Balcikli

Print: Drucksachen werden hochwertiger, Durchlaufzeiten schneller

Auch das Print-Design ist von den modernen gestalterischen Möglichkeiten des Web beeinflusst. Mal dominiert Opulenz, mal Reduktion aber insgesamt ist die Formensprache im Bereich der Drucksachen vielfältig wie nie.

Was die virtuelle Welt nicht bieten kann, sind Papieroberflächen oder ständige Verfügbarkeit. Das Buch lässt sich auch dann aus dem Regal nehmen, wenn das W-LAN nicht funktioniert. Die Haptik der Druckmaterialien hin zu höherwertigen Qualitäten und zu mehr Exaktheit zum Beispiel bei Spotlack und Profilprägungen sind die Stärken des gedruckten Mediums. Als augenfälliges Beispiel mögen die mehrschichtigen Visitenkarten aus Luxecore dienen, die mit 750g/qm eine ungewöhnliche Grammatur bieten, die das Internet maximal mit mehreren Layern toppen könnte. Neue Maschinengenerationen machen dabei selbst komplizierte mehrstufige Veredelungsprozesse möglich und beschleunigen die Produktion – auch eine Anpassung an die schnellen Durchlaufzeiten des (Bestell-)Mediums Internet.

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