Die Apple Watch und ihr Interface-Design

21.05.15, 12:52

Auswirkungen auf die Gestaltung von Benutzerschnittstellen

Als Apple eine neue Geräteklasse präsentierte, überschlugen sich die Meldungen, obwohl Hersteller wie Samsung, Sony oder LG längst Smartwatches im Angebot haben. Apple hat seit jeher in seinen Geräten Hardware und Software sowohl technisch, als auch optisch durchdacht verschmolzen und ist so die Referenzklasse für stationäre PCs, Laptops, MP3-Player, Smartphones und Tablets geworden. Außerdem ist Apple bekannt für sein lifestyleorientiertes und benutzerfreundliches Design, wodurch auch an das User-Interface-Design des kleinen vollaufgelösten Bildschirms der Smartwatch höchste Ansprüche gestellt sind.

Apple Watch - Minimalismus beim UI-Design (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Apple ist für seinen Minimalismus beim UI-Design bekannt. Die Apple Watch soll auf kleinstem Raum relevante Informationen zur Verfügung stellen. (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Monitore und Displays: Riesengroß und winzig klein

Der Blick auf digitale Inhalte war noch nie so breit gefächert wie heute – je nachdem auf welcher Bildschirmgröße man eine Webseite oder eine Webanwendung betrachtet. Zu den Riesen-PC-Monitoren und den internetfähigen Fernsehbildschirmen mit z. B. 65 Zoll Bildschirmdiagonale (= ca. 165cm) gesellen sich auf der anderen Seite nun digitale Uhren – und zwischen 165cm und 4cm liegen Welten. Unterschiedlich viele Dinge passen auf unterschiedliche Bildschirme: Mal ist auf großen Displays genügend Platz für jede Funktion, jedes Steuerelement und jedes Detail vorhanden, mal muss man auf kleinen Bildschirmen selbst kleine App-Funktionsumfänge auf einen Bruchteil reduzieren, damit sie z. B. auf der Smartwatch noch Sinn machen. Eine Smartwatch hat daher einen ganz konkreten Anspruch: Ziel ist es, alle Funktionen so zu integrieren, damit sie universal verständlich sind.

Gestensteuerung am Minibildschirm

Neben der Bildschirmgröße ist auch die Art der Steuerung für den Benutzerschnittstellen-Designer eine notwendige Überlegung. Bei Touchscreens hat sich die Gestensteuerung etabliert. Schon werden dafür nicht nur ein und mehrere Finger genutzt, sondern auch Stifte, die punktgenauer und präziser sind. Doch wie navigiert man auf einem Minidisplay, für das Steuerelemente wie Scrollbalken nicht in Frage kommen? Apple hat dieses Problem an seiner Smartwatch über ein Rädchen an der rechten Seite gelöst, mit dessen Pendant man früher mechanische Uhren aufgezogen hat. Das spezielle Rädchen wird Krone genannt und ermöglicht ganz unkompliziert das Scrollen sowie Navigieren ohne das die eigene Hand oder einzelne Finger das kleine Display verdecken.

Apple Watch mit Retroziffernblatt (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Oben: Die Apple Watch mit Retroziffernblatt zeigt dezent am unteren Rand den nächsten Termin und oben weitere Zeitangaben an. (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Apple Watch: Interface-Design rückt in den Audiobereich vor

Während bei neueren Smartphones die Krux darin besteht, dass die Displays immer größer werden, alle Bedienelemente aber in Daumenlänge erreichbar sein sollen, tritt mit den Smartwatches das genaue Gegenteil in Kraft: Alles auf dem Bildschirm kann zwar potenziell erreicht werden, aber es passt kaum etwas darauf. Neben dem Scroll-Rädchen kommt nun vor allem Siri, der Spracherkennungssoftware von Apple, eine strategische Bedeutung zu. Man könnte sogar sagen, dass Sprachsteuerung erst mit den Smartwatches beginnt, richtig Sinn zu machen. Denn wo Siri bei Smartphones und Tablets eine schöne Ergänzung war, ist es bei der Smartwatch eine Notwendigkeit. Befehle lassen sich schnell sprechen, ebenfalls kleine Memos. Der Interface-Designer rückt vor in den Audiobereich des Medien-Designs – es geht um eine neue Dimension: Die akustische Steuerung eines Winzlings.

Apple Watch Sunset (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Oben: Noch 9 Stunden und 16 Minuten bis zum Sonnenaufgang – Designer bei der Nachtschicht werden dankbar sein. (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Kurze Wahrnehmungszeiten bei der Smartwatch

Bei Funktionselementen, die auf einem Bildschirm sichtbar sind, sollte man zwei Gruppen unterscheiden: Die Einen will man in ihrer Gesamtheit dem Bildschirm angepasst sehen, wie z. B. Webseiten oder Videos. Die Anderen müssen sich mit abnehmender Bildschirmgröße nicht einfach nur verkleinern, sie sollen sich auch nicht nur neu organisieren, sondern sie müssen ihren Funktionsumfang verändern. Bei kleinen Bildschirmen müssen Steuerung und Features abgespeckt und ausgedünnt werden, sodass man mit wenigen Klicks ans Ziel kommt. Man kennt Werbeaussagen wie Reduce to the Max, die etwas ausloben wollen, was sehr klein ist, dabei aber das Optimum an Funktionalität bringen. Tatsächlich kann die Verkleinerung von Technologie ein Segen sein. Im Falle einer Smartwatch muss der Nutzer die gewünschte Information oder Funktion innerhalb weniger Sekunden erreichen und den Vorgang abschließen können.

Eine neue Stufe im Interfacedesign: Die Gestaltung der Unauffälligkeit

Nachdem also das mobile Internet auf Smartphones und Tablets weggeführt hat von den Großbildschirmen der stationären PCs, ist die Smartwatch die nächste Stufe auf dem Weg hin zu Einfachheit und mehr Übersichtlichkeit. War die Aufgabe des Designers vergangener Tage das Organisieren und Gestalten von realtiv vielen Elementen, geht es seit den Smartphones darum, alles, was nicht unbedingt nötig ist, wegzulassen. Im Fall der Apple Watch kommen die strikten Designvorgaben des Unternehmens hinzu: Apple lässt dem Programmierer und dem Gestalter wenig Raum bei der App-Entwicklung. Ist es schon schwer genug, die gewünschten Funktionen auf dem Bildschirm abzubilden, muss man den Designvorgaben Rechnung tragen. Entlastend kommt aber zum Glück das hoch aufgelöste Retina-Display zum Tragen, das selbst kleinste Elemente wie Schrift gestochen scharf abbildet.

Apple Watch als Uhr (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Oben: Wolf im Schafspelz – die Apple Watch kann auch nur Uhr sein. Hier sind alle weiteren Elemente ausgeblendet. (Copyright © 2015 Apple Inc.)

Displaygrößen bei Smartwatches

Fast alle Smartwatches haben eine Diagonale von ca. 4cm, mit nur geringen Abweichungen zwischen Herstellern und Modellen – wobei die 4mm Unterschied zwischen den beiden Modellen bei Apple zwar nach wenig klingen aber bezogen auf die kleine Bildschirmgröße schon einen Unterschied ausmachen. Apple bietet die Apple Watch in zwei Modell-Varianten an:

3,8cm = 1,4 Zoll = 340×272 Pixel mit 290 ppi
4,2cm = 1,6 Zoll = 390×312 Pixeln mit 302 ppi

Andere Hersteller zeigen bezüglich der Displaygröße ähnliche Werte: Zum Beispiel die Samsung Gear mit einer Bildschirmdiagonale von 1,63 Zoll oder die Sony SmartWatch3 mit 1,6 Zoll. Einzige Ausnahme bildet die Pebble Watch mit ihrem E-Paper-Display mit 1.26 Zoll und 144 × 168 Pixel Bildschirmauflösung sowie die Garmin vivoactive mit 205 x 148 Pixeln. Die Auflösung liegt bei den meisten Herstellern bei etwa 200 ppi, während die Apple Watch ca. ein Drittel mehr bietet.

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