Im Interview mit Romain Veillon

27.01.16, 9:23

Reise in eine verlassene Welt!

Was lassen wir zurück? Wenn ein Ort nicht mehr ist und von den Menschen verlassen wurde, was ist dann noch davon übrig? Ihr seid womöglich versucht zu glauben – wie viele andere Leute auch –, dass ein Ort abgerissen oder zumindest von neuen Investoren übernommen und zu etwas völlig Neuem gemacht wird … So viel Glück haben nicht alle!

„Sands of Time“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon

Die Tatsache ist: Es gibt mehr verlassene Orte als wir glauben! Es gibt verlassene Krankenhäuser, Kirchen, Fabriken und sogar Vergnügungsparks! Geisterstädte sind nicht bloß die Erfindung von talentierten Drehbuchschreibern aus Hollywood, sondern sehr real; Bodie und Pripyat sind die berühmtesten unter Urban Explorers!

Die Ästhetik, die ich spüre, ist sehr wichtig, und ich versuche, diese so gut es geht zu übermitteln.

Romain Veillon, der verlassene Orte aufgrund ihrer schönen Atmosphäre fotografiert, berichtet uns von seinen Erlebnissen und Erfahrungen. Kolmanskop, Buzludzha, Epecuen, … Er ist viel gereist, um das zu dokumentieren, was zurückgeblieben ist, nachdem die Menschheit gegangen ist und alles in einem postapokalyptischen Zustand hinterlassen hat. Begleitet den französischen Fotografen, der uns durch atemberaubende Bilder zeigen will, wie prachtvoll diese Orte einst waren (und immer noch sind)!

„Home Sweet Home“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon
 

print24: Könntest du uns mehr über deine Geschichte erzählen? Was hat dich inspiriert, Fotograf zu werden?

Romain: Tatsächlich ist es so, dass ich schon immer von verlassenen Orten fasziniert war und ich schon immer das Bedürfnis hatte, sie zu erkunden, wann immer ich konnte. Und eines Tages nahm ich meine Kamera mit, um das, was ich sah, einzufangen – diese Fotos wurden überwiegend gemacht, um gute Erinnerungen festzuhalten. Nach und nach habe ich es dann mit einer ästhetischeren Herangehensweise versucht, um die Atmosphäre eines Orts einzufangen. Ich habe mich darauf konzentriert, ihnen durch meine Fotografien Leben einzuhauchen. Mir wurde dann klar, dass es noch andere Leute gibt, die gern Bilder von diesen verfallenen Orten auf der ganzen Welt machen.

print24: Woher kommt diese Leidenschaft für verlassene Orte?

Romain: Ich bin schon seit meiner Kindheit von diesen Orten fasziniert. Ich glaube, dass das Entdecken des verfallenen Hauses am Ende der Straße eine Erinnerung ist, die wir alle tief in unserem Inneren haben. Wenn ich auf solch einen Ort treffe, ist mein erster Reflex, versuchen mir vorzustellen, welche Geschichten hinter diesen zurückgelassenen Ruinen liegen, wie dieser Ort in seiner Blütezeit war und aus welchen Gründen er von den Menschen verlassen wurde. Die Ästhetik, die ich spüre, ist sehr wichtig, und ich versuche, diese so gut es geht zu übermitteln. An diesen Orten kommt es einem vor, als würde man in der Zeit zurückreisen: Hier kann man sich trauen, Fragmente von früheren Leben zu beobachten.

„Home Sweet Home“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon

print24: Wie bereitest du dich vor, bevor du einen verlassenen Ort besuchst? Stellst du Nachforschungen über den Ort und seine Geschichte an, bevor du hingehst?

Romain: Natürlich versuche ich immer, mehr über die Geschichte eines Orts herauszufinden, den ich fotografieren werde (und so finde ich auch die meisten, was mich erst dazu bringt, sie fotografieren zu wollen). Ich bereite mich nicht zwangsläufig auf ein Fotoshooting vor und nehme immer dieselbe Ausrüstung mit: meine Kamera, Objektive, Stativ, Feuchttücher, Handschuhe, Taschenlampe, eine Flasche Wasser …

„Home Sweet Home“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon

print24: Was ist dein Geheimnis, um so schöne Fotografien zu machen?

Romain: Vielen Dank, das ist sehr nett! Es ist wirklich eine Freude zu sehen, dass meine Arbeit geschätzt wird. Ich gebe mein Bestes, um die Schönheit dieser Orte zu zeigen, da sie oft einen schlechten Ruf haben und entweder als düster oder als unheimlich angesehen werden. Ich versuche, mit dem Licht zu spielen, um den Orten, wo die Zeit stillsteht, Leben einzuhauchen und um zu zeigen, dass wir Schönheit selbst an den unwahrscheinlichsten Orten finden können. Außerdem sind diese Schlösser und andere Gebäude schon von sich aus so unglaublich und einzigartig, dass es meine Arbeit erleichtert.

„Memento Mori“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon

print24: Krankenhäuser, Fabriken, Wüsten, … Von welchen Orten lässt du dich am meisten inspirieren: Außen- oder Innenbereichen?

Romain: Das hängt meistens von der Location ab, auch wenn ich öfter im Innenbereich fotografiere, weil ich es interessanter finde. Beide sind gleichwertig, aber ich finde es schade, wenn man sich nur auf den Außenbereich begrenzt, und ich glaube, dass es nicht möglich ist, die Atmosphäre eines Orts einzufangen, ohne ihn zu betreten. Solang ich mir vorstellen kann, wie das alltägliche Leben an diesem Ort war, während er noch „am Leben“ war, bin ich zufrieden.

print24: Was ist das Unglaublichste, was du auf deinen Erkundungen jemals fotografiert hast?

Romain: Das wäre das Dorf Kolmanskop in Namibia. Das war eine außergewöhnliche Reise und mir war dieser Ort schon aus einem Artikel von National Geographic bekannt. Dieser Ort hat mich wirklich fasziniert. Ich hatte das Glück, eine ganze Woche dort zu sein und meine Tage damit zu verbringen, mich in diesem Dorf zu verirren. Es war, als hätte die Zeit angehalten. All diese Häuser, die Stück für Stück vom Sand verschlungen werden, geben diesem Ort eine noch unheimlichere Atmosphäre. Das war meine schönste Erfahrung, aber ich hoffe auch, dass ich noch viele weitere tolle Erfahrungen haben werde!

Wir machen nur Bilder und hinterlassen keine Spuren.

Print24: Im Herzen von Paris befand sich einst das Molitor Schwimmbad, eine bekannte Location für Urban Explorers und Straßenkünstler. Der Ort ist renoviert worden und ist heute ein Luxushotel. Was hältst du davon? Richtig oder falsch?

Romain: Ich bin immer sehr glücklich, wenn ein verlassener Ort eine zweite Chance bekommt, indem er restauriert wird. Natürlich kann es passieren, dass der Ort für mich seinen Charme verliert und keine fotografische Inspiration mehr ist. Aber ich finde es auch sehr schön, ein wenig später zurückkommen zu können und zu sehen, wie er sich in etwas Lebendiges entwickelt hat. Als ich jung war, habe ich nicht weit davon entfernt gewohnt und ich war immer sehr fasziniert von dem Molitor Schwimmbad. Ich hatte die Chance, ein paarmal dorthin zu gehen, sogar an manchen Abenden. Ich konnte dort eine sehr einzigartige und sonderbare Atmosphäre spüren. Meine Mutter ging dort auch hin, als sie klein war; sie hat ebenfalls viele Erinnerungen an diesen Ort.

print24: Auf deiner Website können wir mehrere Unterkategorien in deiner Galerie sehen. Was für eine Art von Ort magst du am liebsten und warum?

Romain: Das hat sich jetzt ein wenig geändert! Wie ich gesagt habe, ich habe keine Vorlieben. Es hängt von der Geschichte des Orts ab, von der Architektur oder von dem Leben, das zurückgelassen wurde. Im Moment habe ich eine Schwäche für Orte, wo die Natur langsam die Oberhand zurückerlangt und wo man eine postapokalyptische Atmosphäre spürt, in der die Menschheit verschwunden ist. Ansonsten gilt: Je interessanter die Geschichte und je optisch beeindruckender der Ort ist, desto mehr mag ich ihn.

„Buzludzha“ - Romain Veillon
Quelle: Romain Veillon

print24: Was für einen verlassenen Ort hast du noch nicht besucht, den du aber gern besuchen würdest?

Romain: Den nächsten! Ganz ehrlich: Ich weiß es noch nicht. Das hängt von meiner Nachforschung und den Gelegenheiten ab. Da ich diese Leidenschaft schon immer mit meinen Reisen assoziiere, denke ich vorwiegend an die Länder, die ich besuchen will, und dann erst an die Orte selbst. Je mehr ich mich wie in einer anderen Welt fühle, desto glücklicher bin ich. Ich hoffe, meine nächsten Reisen verschlagen mich nach Asien; ich hatte nie wirklich die Chance, diesen Kontinent kennenzulernen.

print24: Es ist gefährlich, verlassene Orte zu besuchen. Welche Ratschläge würdest du Fotografen geben, die bereit sind, Urban Explorer zu werden? Was sind die unabdingbaren Regeln?

Romain: Es ist sehr gefährlich und nicht viele Leute nehmen diese Risiken wirklich ernst, wenn sie etwas erkunden. Über die Zeit sind diese Orte oft heruntergekommen und daher sind die Böden verrottet. Man muss wirklich vorsichtig sein, wenn man läuft. Was die Regeln betrifft: Ich glaube nicht, dass wir sagen können, dass diese unabdingbar sind; das Wichtigste ist, die Orte, die man besucht, zu respektieren und sie so zu verlassen, wie man sie vorgefunden hat. Das alte Sprichwort sagt alles: „Wir machen nur Bilder und hinterlassen keine Spuren.“ Es ist außerdem sehr wichtig, niemandem zu sagen, wo diese Orte sind, wenn wir nicht wollen, dass sie verwüstet werden.

„Epecuen“ - Romain Veillon

Quelle: Romain Veillon

print24: Hast du noch andere Projekte, die nichts mit Urban Exploration zu tun haben?

Romain: Im Moment ist es mein Hauptthema in der Fotografie; und solang das meine Leidenschaft ist, wüsste ich nicht, warum ich das ändern sollte! Ich werde diese Gelegenheiten und Reisen weiterhin genießen und diese verlassenen Orte mit meinen Fotos in eine immer währende Erinnerung verwandle, so viel ist sicher. Ich habe noch andere Fotografieprojekte, die ich gern umsetzen würde, aber das ist zurzeit noch geheim! Und außerdem habe ich noch ein paar schriftstellerische Projekte, da dies auch eine meiner Leidenschaften ist!

Vielen Dank an Romain für dieses tolle Interview. Wenn ihr mehr von Romains Fotografien sehen wollt, besucht seine Website:

Romain Veillons Website

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