Gestaltungsraster und ihre Anwendung

04.05.16, 11:03

Ordnung im Design

Gestaltungsraster, auch „Typografieraster“ oder griffiger „Typoraster“ genannt, sind Hilfsliniensysteme, die Proportionen für Abbildungen festlegen. Außerdem synchronisiert ein Gestaltungsraster die Typografie mit den Abbildungen. Was bringt ein Gestaltungsraster und wo liegen die Unterschiede zum freien Gestalten?

Gestaltungsraster und ihre Anwendung


Gestaltung mit einem Rastersystem

Das Wort „Raster“ ist verwandt mit den Begriffen Muster oder Schema und beschreibt ein normiertes Gestalten, das von einem festen Schema ausgeht. Das Gestaltungsraster als Hilfsliniensystem legt

  • vertikal Spaltenanzahl und Spaltenbreiten,
  • Seitenränder und
  • die Abstände zwischen den Spalten

fest. Darüber hinaus unterteilt es den Satzspiegel aber noch weitgehender. Durch horizontale Hilfslinien wird die Seite in Rechtecke aufgeteilt, deren Mehrfaches die Bild- und Fotogrößen ergibt. Das sieht dann so aus:

The Gridsystem

Auf der Webseite „The Gridsystem“ gibt es Mustervorlagen für diverse Anwendungen für Printprojekte oder Webprojekte. Zu sehen ist eine DIN-A3-Hochformat-Vorlage für Adobe InDesign. Die roten Linien links bilden das Grundlinienraster für den Zeilenabstand. Die blauen Linien sind die Grundflächen für das Bestimmen der Bildgrößen.

Grundlinienraster

Eine zweispaltige Seite aus InDesign mit eingeblendetem Dokumentenraster (grau) und der Schrift, die noch nicht am Grundlinienraster ausgerichtet ist.

Grundlage des Typografierasters: Grundlinienraster mit Registerhaltigkeit

Die Höhen der Felder ergeben sich aber nicht zufällig, sondern sind ein Vielfaches des Zeilenabstandes. Und für die Darstellung des Zeilenabstandes ist ein Zeilenabstandsraster, das sogenannte Grundlinienraster, zuständig. Stellt man es in InDesign oder Quark-X-Press auf „magnetisch“ bzw. „ausrichten am Grundlinienraster“ ein, richten sich die Grundlinien der Zeilen automatisch am Grundlinienraster aus. So ist stets eine Registerhaltigkeit gewährleistet, das heißt eine Spalten übergreifende Bündigkeit der Zeilen zueinander. Sofern perfekt gedruckt wird, wird auch eine Deckungsgleichheit (Kongruenz) der Zeilen von Vorder- und Rückseite des Blattes erreicht. Beim Broschüren-Druck liegen sich Vorder- und Rückseiten wechselseitig gegenüber, dabei würde man den Versatz also deutlich sichtbar wahrnehmen können.

Am Grundlinienraster ausrichten

Der Befehl „Am Grundlinienraster ausrichten“ positioniert die Grundlinien der Schriftzeilen.

Durchorganisiertes Gestalten mit festen Proportionen

Man ahnt bereits hier, was die Hauptfunktionen des Typorasters sind:

  • Klarheit durch Vereinheitlichung,
  • Systematik gegen Beliebigkeit und
  • Ordnungsprinzipien, die zu einer durchgängigen visuellen Anmutung beitragen.

Wobei einschränkend zu sagen ist, dass die Registerhaltigkeit ursprünglich beim Buchsatz sehr wichtig war, weil bei Seiten, die nur aus Text bestehen, ein Versatz gegenüber einer dynamischeren Broschüren-Gestaltung mehr auffällt. Die wesentliche Funktion eines solchen Design-Rasters ist eine formale Strenge. Diese wird vor allem durch die Normierung der Parameter und Vorgaben erreicht, die der Gestaltung zugrunde liegen. Das Gestaltungsraster hilft nicht zuletzt mit, Fotogrößen und Weißräume festzulegen.

Zwei Klicksymbole

Rechts unten etwas unscheinbar in der Palette befinden sich zwei Klicksymbole. Das rechte lässt den Text in Adobe InDesign an die Grundlinie wandern.

Das Für und Wider der Arbeit mit Gestaltungsrastern

Die Befürworter von Gestaltungsrastern betonen, dass ein Corporate Design ohne eine systematische Grundlage nie durchgängig zu realisieren ist. Die Kritiker sehen im Gestaltungsraster eine Beschneidung ihrer gestalterischen Freiheiten. In der Praxis kommt es jedoch darauf an, wie man das Gestaltungsraster interpretiert. Die grundlegende Ordnung kann im Gegenteil dazu führen, dass man die üblichen Prinzipien stellenweise kreativ durchbrechen kann. In jedem Fall verlangt ein Design-Raster nach rationaler Durchdringung des Gestaltungsprozesses. Es ist also eine manchmal aufwendige gedankliche Vorarbeit nötig, bei der man sich bewusst mit Bildgrößen und -formaten auseinandersetzt oder damit, welche Schriftgrößen mit welchen Zeilenabständen harmonieren. Während der völlig frei gestaltende Designer sich direkt an die Arbeit machen kann, verlangt die Arbeit mit Gestaltungsrastern erst einmal viel Kopfarbeit, die allerdings danach Zeit spart – gerade bei umfangreichen Werken.

Berechnung des Proportionsrasters

Dabei geht es auch um Berechnungen. Im Beispiel weiter unten wurde das Raster erstellt, indem die Einheiten einfach als 1/10 des DIN-Formates festgelegt wurden, was sehr bequem ist. Hat der Gestalter jedoch bestimmte Vorlieben, was die Fotoformate anbelangt, muss mitunter viel gerechnet werden, damit das Vielfache des Zeilenabstandes zur Grundeinheit des Proportionsrasters passt – und dessen Vielfaches exakt die Bildproportion ergibt. Möchte beispielsweise ein Designer sowohl quadratische Fotos in unterschiedlichen Größen nutzen als auch 16:9-Fotos, muss man etwas weiter denken. Man muss bei Quadratfotos zum Beispiel beim Anlegen der Raster sicherstellen, dass die Addition der Flächen in der Breite auch exakt der Höhe entspricht – inklusive der Zwischenstege. Dazu kommt, dass ein Designer zusätzlich ganz bestimmte Vorstellungen hat, was beispielsweise die Dimensionierung der Seitenränder anbelangt. Die gute Nachricht ist jedoch, dass Satz- und Gestaltungsprogramme wie InDesign quasi „mitdenken“ und vieles unterstützend erleichtern.

Die Feinheiten des Designrasters

Die Tücke des Typorasters liegt im Detail. Die kleinsten Flächeneinheiten der Seite sind in der Regel Rechtecke. Wenn man aber nun immer mal wieder mit quadratischen Fotos arbeiten will, muss man beim Anlegen der Raster sicherstellen, dass die Addition der Flächen in der Breite auch exakt der Höhe entspricht – inklusive der Zwischenstege. Das klingt zunächst nicht kompliziert, aber wenn man bedenkt, dass sich die elementaren Grundflächen des Typorasters aus dem Vielfachen der Zeilenabstände ergeben, wird es schon komplizierter.

Raster und Hilfslinien

Unter dem Menü „Ansicht“ im Bereich „Raster und Hilfslinien“ lassen sich das Grundlinienraster für die Typografie und das Dokumentenraster einstellen. Das Dokumentenraster unterteilt das gesamte Blattformat in kleine Grundeinheiten. Darüber hinaus setzt es beim festzulegenden Mehrfachen dieser Grundeinheiten dickere Hilfslinien. So wird das gesamte Format in Rechtecke aufgeteilt, die mithelfen, das Gestalten zu strukturieren. Das Dokumentenraster kann man als zusätzliches Hilfsmittel oder als einfache Alternative zum Typoraster nutzen.

Typoraster bei umfangreichen Drucksachen

Schnell kommt die Frage auf, warum man Gestaltung überhaupt reglementieren muss. Als Faustregel gilt, je mehr Seiten eine Publikation hat, je mehr Menschen daran kooperativ mitarbeiten, desto sinniger ist das Designraster; denn es hilft mit, die Einheitlichkeit der Gesamtgestaltung zu gewährleisten – ganz besonders dann, wenn es unübersichtlich wird. Man kann sich vorstellen, dass ein 1.000-Seiten-Versandhauskatalog, an dem viele Gestalter arbeiten, im gestalterischen Chaos enden würde, würde man nicht augenfällige Gestaltungsregeln implementieren. Das Typoraster, das sich ein- und ausblenden lässt, ist das Grundgerüst dieser Regeln. Wenn allerdings eine Drucksache zum Beispiel nur einmal erscheint oder es sich um einen einseitigen Flyer handelt, ist ein Typoraster nicht unbedingt sinnvoll; denn bei einer Seite, bei wenig Seiten oder bei Publikationen, die nicht regelmäßig erscheinen, muss ein vereinheitlichendes Typografieraster nicht unbedingt zum Einsatz kommen.

Voreinstellungen

Der „Voreinstellungen“-Dialog von InDesign. Getrennt voneinander kann man oben das Grundlinienraster und unten das Dokumentenraster einstellen. Bei „Anfang“ sollte man zunächst 0 mm wählen, das heißt, das Typoraster beginnt von der oberen Kante des Satzspiegels an zu zählen. Das eigentliche Typoraster stellt man aber unter dem Menü „Layout“ unter „Hilfslinien erstellen“ ein.

Raster-Systematik als Erleichterung beim Design

Es gibt dekonstruktivistische Gestalter wie David Carson, die sich bewusst nicht an Regeln halten und innerhalb einer Zeitschrift jede Seite anders gestalten wollen. Ein Raster wäre in diesem Fall eher dafür da zu sehen, inwieweit man davon abweichen kann. Solche Fälle sind aber die Extreme. In aller Regel erleichtern die systematischen Raster die Arbeit und müssen dabei nicht immer sklavisch befolgt werden – je nachdem wie eng man ihren Einsatz für sich auslegt. Ein gutes Gestaltungsraster zeichnet sich dadurch aus, dass man viele Gestaltungsmöglichkeiten hat und es flexibel zu handhaben ist.

Typoraster

Links ein herkömmliches Layout mit drei Spalten, wie es für Broschüren zum Einsatz kommt. Rechts das dazugehörige Typoraster mit einem Foto, das sechs Grundeinheiten breit ist und zwei hoch.

Fotogrößen richten sich an Grundlinien oder Oberlängen aus

Ein anderes Detail ist, dass aus optischen Gründen die Fotos unten bündig mit der Grundlinie der Zeilen der benachbarten Spalten abschließen, oben aber zum Beispiel mit den Oberlängen. Auch wenn man vor der Zwischenüberschrift eine halbe und keine ganze Leerzeile einfügt, kann das Grundlinienraster „herausspringen“ und das Typoraster etwas durcheinandergeraten. Solche Feinheiten sind im Vorhinein beim Anlegen und Berechnen des Gestaltungsrasters zu berücksichtigen.

Grundlinienraster und Dokumentenraster im Einklang

So etwas ist in InDesign schnell angelegt – Grundlinienraster und Dokumentenraster im Einklang.

Rastergestaltung und Webdesign

Das traditionelle Gestaltungsraster, das im Englischen auch „Grid“ genannt wird, hat neue Aktualität durch das Webdesign erhalten; denn das war in seinen Anfangstagen von vornherein aufgebaut wie eine Tabelle. Und auch das Gestaltungsraster ist grob betrachtet aufgebaut wie eine Tabelle. Zwar hat das Webdesign versucht, sich von den rigiden Einschränkungen vergangener Tage zu befreien und ist in seiner Gestaltung freier geworden. Andererseits ist der Gestaltung einer herkömmlichen Webseite bedingt durch die Parametereingabe bei der Programmierung im Verhältnis zur Drucksache der Zwang zu stärkerer Strukturierung auferlegt.
Das Web hat so das Design mit neuen Aspekten der gestalterischen Strukturierung befruchtet. Auch die aktuellen Diskussionen um die Responsivität von Webseiten und ihre Anpassung an unterschiedlichste Monitorgrößen hat neue Aspekte eingebracht; denn eine in der Desktopansicht ursprünglich dreispaltige Webseite, umbricht sich auf kleineren Monitoren auf zwei Spalten und auf ganz kleinen auf eine Spalte. Das stellt neue Anforderungen an das Denkmodell des Typorasters.


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