Game-Design und Charakterentwicklung

23.09.14, 11:01

Story, Grafik, Technik und Nutzerfeeling

Ob in Social Media, an Smartphone, Tablet, PC oder an der Spielkonsole sowieso: Games, Computerspiele und Videospiele haben das digitale Leben am stärksten von allen Medien durchdrungen. Bis ein Spiel fertig ist, vergehen Monate oder Jahre, je nachdem wie aufwendig es ist. Wie wird ein Spiel entwickelt und welche Arbeitsschritte gibt es dabei?

Spielecharaktere von Nintendo

Oben: Einige Spielecharaktere (Copyright: Nintendo)

Konsolenspiel und Film: Brüder im Geiste

In der medialen Verwertungskette zwischen Kino, Buch, Comic und Merchandising nehmen Games/Computerspiele/Videospiele – eine verbindende Sonderrolle ein. Das sieht man z.B. an Kino-Filmreihen wie „Matrix“ oder „Riddick“, bei denen die Filme von Spielen begleitet wurden oder ihnen nachfolgten. Die Spiele enthalten teils filmisches Material, führen die Storys weiter und sind eng mit der Story und der Dramaturgie des Filmes verzahnt. Film und Videogame nähern sich zunehmend an, zumal Blockbuster mit CGI-3D-Animationen arbeiten, die auch in jedem Videospiel zur Anwendung kommen.

Riddick Filmplakat

Oben: Science-Fiction-Held „Riddick“ auf einem Filmplakat. Riddick ist einer der ersten Medienfiguren, deren Erfolg auch auf Film und Spielen beruht.

Film und Spiele wachsen zusammen

Im Falle der Science-Fiction-Kino-Serie um den Helden „Riddick“ wurde nach dem ersten Teil aus dem Jahr 2000 („Pitch Black – Planet der Finsternis“) ein zweiter Teil („Riddick: Chroniken eines Kriegers“) gedreht, der bezüglich seiner Einspielergebnisse aber nicht überzeugen konnte. Darauf folgten zwei kommerziell sehr erfolgreiche Videospiele, die auf der Helden-Figur basierten („The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay“ und „The Chronicles of Riddick: Assault on Dark Athena“). Erstaunlich: Erst deren Erfolg machte einen weiteren Kinofilm („Riddick“ in 2013) möglich.

Verkörpert wird die Figur „Riddick“ von Schauspieler Vin Diesel, dessen Äußeres prägnant und originell ist und somit eine gute Vorlage auch für einen grafisch reduzierten synthetischen Charakter abgibt. Dies ist analog zu Spielikonen wie Lara Croft (aus „Tomb Raider“) zu sehen, bei der es aber umgekehrt lief: Erst war was Videospiel da, dann die zwei Realfilme. Aber auch hier ist die Einfachheit der Spielfigur als eine Art weiblicher Indiana Jones das Besondere. Prägnanzen lassen sich zwischen den Medien „Film“ und „Videospiel“ gut hin und her transportieren: aus dem Realfilm wird eine sehr ähnliche CGI-animierte Figur und passend zur Kunstfigur sucht man eine Schauspielerin, die ihr ähnlich ist.

The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay für X-Box

Oben: Riddick als Spielefigur aus dem Spiel „The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay“ für X-Box (Copyright: Moby Games)

Identifikation mit dem Spielcharakter

Eine Identifikation zwischen Spieler und Spielecharakter funktioniert gut mit dem perfekten virtuellen oder physisch dargestellten Gegenüber. Der Unterschied zwischen Film und Videogame ist etwa der wie zwischen einer Web-1.0-Webseite und den Sozialen Medien: es geht um kommunikative Rückkopplung und Interaktion und das möglichst reale Hineinversetzen in etwas Virtuelles. Die Identifikation wird realer über das körperliche Erleben wie bei den Spielkonsolen Nintendo Wii, Playstation Move und Microsoft Kinect. Die werden über einen bewegungssensitiven Controller gesteuert, der Körperbewegungen erkennt oder Augenbewegungen über eine Blicksteuerung. Der Mensch wird dabei zum Agierenden. Spiel und Film oder realen Leben rücken dabei enger zusammen.

Spielekonzeption: Wie konzipiert man ein PC-/Video-Game?

Beim Konzipieren von Spielen sind ähnliche Schritte zu gehen wie beim Film, zumal in den letzten Jahren die Dramaturgie komplexer Spiele durch Verpflichtung von Autoren professioneller und filmähnlicher geworden ist. Dazu zählt auch, dass die Spiele in sich logischer und konsistenter geworden sind, ein Anspruch, den man auch an jeden Film oder jede Fernsehserie stellt.

Grundidee, Thema und Story des Spieles

Während ein Film eine Geschichte verfilmt, haben Spiele unter Umständen nur eine Handlung und keine Story. In einer Spielkonzeption sind dennoch folgende Punkte darzustellen:

  • Was ist das Thema des Spieles? (z.B. Traumwelt, Krimi)
  • Welche Atmosphäre hat das Spiel? (Stil der Darstellung, emotionaler Hintergrund mit Bezug zur Zielgruppe)
  • Basiert das Spiel auf einer echten Story, die im Verlauf des Spielens entwickelt wird?
  • Basiert das Spiel auf einer Hintergrundstory, die in der Einleitung genannt wird, um auf das Spiel einzustimmen?
  • Design und äußeres Erscheinungsbild des Spiels

    Jedes multimediale Medium lebt von seiner äußeren Attraktivität. Davon, wie es gestaltet ist und ob es damit den Spieler sofort in seine Welt hineinzieht. Deshalb muss ein Spielekonzept Folgendes enthalten:

  • Wie das Thema mit der Abbildung welcher Spielewelt umgesetzt wird (z.B. Endzeit/Apokalypse, Unterwasserwelt, historische Welt, Science-Fiction-Welt).
  • Wie die Spielecharaktere und die Spielewelt aussehen, welche Eigenschaften sie haben und wie sie dargestellt und vor allem animiert werden. Hier geht es um die Verzahnung von Charakter-Design und Technik.
  • Wie Spezialeffekte eingesetzt werden.
  • Was die besondere, visuelle Attraktivität der Spielwelt ist (Unterwasser, Dschungel etc.).
  • Wie stellt man Idee und Konzeption eines Computerspieles dar?

    Zunächst gilt es, die Spielidee möglichst kompakt in einem einzelnen Satz oder mehreren Sätzen zu umreißen. Es gibt verschiedene Mittel, um Idee, Story, Spieldramatik und Spielmechanik zusammenzufassen. Oft geht es bei Spielen – das ist aber eine Analogie zu aufwendigen CGI-Hollywoodfilmen – nicht nur um die Idee oder die Story, sondern um neue Darstellungstechniken bzw. um die technische Perfektion, mit der die Spielewelten abgebildet werden.

    Die Grundidee in kurzen Sätzen: Log Line oder Synopse

    In der Filmsprache ist die Log Line die sprachliche Zusammenfassung des Essentiellen der Geschichte in ein bis drei Sätzen. Wenn man sehr pointiert zusammenfassen muss, worum es eigentlich geht – die nackte Idee – wird schon klar, ob die Idee zugkräftig ist. Enthalten sein müssen das Thema und der Kernpunkt der Dramaturgie.

    Manche Spiele haben keine Geschichte im klassischen Sinne und bestehen nur aus Handlung. Dann geht es darum, genau zu beschreiben:

  • Was im Spiel zu sehen ist.
  • Welche Möglichkeiten der Spieler hat.
  • Wie die Spiellogik und der Spielmechanismus angelegt sind, die den Spaß bringen.
  • Dabei kann man sich an etablierten Spielen orientieren oder aber Alleinstellungsmerkmale benennen, die etwas bieten, was so noch nicht auf dem Spielemarkt vorhanden ist.

    Die Grundidee noch kürzer: Tagline und Prämisse

    Die Tagline, die Slogancharakter hat und die man auch in der Werbung findet, bringt das Thema noch kürzer, in einem Satz oder Halbsatz hoch dramatisch auf den Punkt. Die Prämisse stellt ebenso kurz das wirklich Besondere der Grundidee heraus. Diese Kurzformen der Spielbeschreibung sind deshalb so wichtig, weil man in Gesprächen, in denen man um seine Idee wirbt und Geldgeber dafür finden will, alles kurz und knapp auf den Punkt gebracht werden muss.

    Inhaltsangabe des Spieles: Exposé

    Die eigentliche inhaltliche Ausgestaltung bietet das Exposé auf maximal fünf Manuskriptseiten. Was ist die Idee hinter dem Spiel? Welche Charaktere kommen vor? Was tun die handelnden Personen? Wie ist der Verlauf möglicher Handlungen? Was ist das Besondere am Spielerlebnis auf den unterschiedlichen Leveln? Ein Exposé ist eine Inhaltsangabe, die sich schnell durchlesen lässt, um einen ersten näheren Eindruck vom Projekt zu bekommen. Hier wird nicht detailliert ausgearbeitet, sondern es geht um das Wesentliche und um die Hauptstränge der Handlung – nicht um Nebenaspekte, Nebenfiguren oder Nebenhandlungen. Durch ein Exposé kann man sich ein ungefähres Bild machen, deshalb ist das Exposé oft das Mittel, um Geldgeber für die Ausarbeitung der Geschichte zu gewinnen oder intern Überzeugungsarbeit zu leisten.

    Ein wesentlicher Punkt beim Spieledesign sind Tests, in denen die Dramaturgie der Spiele perfektioniert wird. Dabei geht es z.B. im Detail darum, wie und warum man das nächste Level erreicht oder wie schnell bzw. wie schwer man Gegner besiegen kann. Die sogenannten Balancing-Tests sind dafür da, dass die Spielregeln so geändert werden, dass Spielspaß und die innere Logik des Spiels besser aufeinander abgestimmt sind. Die Spielidee im Exposé beschreibt:

  • Welche Features und Besonderheiten das Spiel bietet.
  • Wie die Features miteinander interagieren und sich beeinflussen können.
  • Welches Design und welche Ausstattung die Spielewelten haben.
  • Wie das Spiel programmiert wird.
  • Sehr ausführlich: Treatment, Scriptment oder Step-Outline

    Das Schreiben eines Treatments wäre der nächste Schritt, um sich wie beim Film dem Drehbuch zu nähern. Das Treatment liest sich als Text am Stück wie eine längere Kurzgeschichte oder Nacherzählung und gibt detailliert alles Wesentliche wieder. Es umfasst nur einen Teil des fertigen Drehbuchs ohne wörtliche Rede, also etwa 20-30 Manuskriptseiten. Die Figuren erwachen darin zum Leben, und welche Aufgaben sie erledigen sollen, wird klarer. Während das Exposé noch relativ allgemein und abstrakt bleibt, das heißt sich nur auf das Wesentliche der Geschichte konzentriert, sollen anhand des Treatments Bilder im Kopf des Lesers entstehen, es müssen Atmosphäre und Personen-Charakterisierungen im Spiel vermittelt werden.

    Ein Treatment kann noch weiter ausgearbeitet und mit Dialogzusammenfassungen angereichert werden, was es zum sogenannten Scriptment (oder „Storyline“ beim Fernsehen) macht.

    Beim Step-Outline schließlich kommt kein durchgängiger Text mehr zur Anwendung, sondern es werden Szenen strukturell voneinander getrennt, damit man sie verschieben oder einzeln bearbeiten kann. Das Step-Outline wirkt wie ein Mini-Arbeitsdrehbuch. Auch hier ist aber noch die Handlung nicht in Dialoge aufgebrochen, weil das Step-Outline nicht mehr als ein strukturiertes und Szenen-separiertes Treatment ist.

    Das fertige Drehbuch: Vom „First Draft“ zum „Final Draft“

    Das Drehbuch enthält die komplette Geschichte des Spieles mit möglichen Dialogen, Szenen, der Handlung und beim Film mit Kameraeinstellungen. Diese erste Version wird auch als „First Draft“ oder „Early Draft“ bezeichnet, weil solange optimiert wird, bis das Spiel stimmig ist. Das endgültige Drehbuch wird dem gegenüber als „Final Draft“ bezeichnet.

    Visualisierung: Das gezeichnete Storyboard

    Sofern eine Geschichte im Spiel vorhanden ist, kann diese fixiert werden, indem ein Storyboard gezeichnet wird, in dem wie in einem Comicheft ohne Sprechblasen die Geschichte skizziert wird. Bevor CGI-basierte Entwürfe oder detailliertere Zeichnungen angefertigt werden, erhält man so einen schnellen aber schon recht präzisen Eindruck von den Handlungsmöglichkeiten des Spieles und des Spielers.

    Pac-Man der erste weltweit erfolgreiche Spielecharakter

    Oben: „Pac-Man“ der erste weltweit erfolgreiche Spielecharakter, der einer lebenden Figur nachempfunden war (Lizensiert unter Public Domain über Wikimedia Commons).

    Das Spiel, die Spielfigur und die Spielecharaktere

    Ein Spielecharakter kann in drei Komplexitätsstufen angelegt sein:

  • Ursprünglich waren in Computerspielen Spielfiguren zu finden, die wenige einfache Eigenschaften hatten. Der erste als Lebewesen gestaltete Spielecharakter mit internationaler Strahlkraft war „Pac-Man“ aus dem Jahr 1980.
  • Im Rollenspiel modernen Zuschnitts kann der Spieler selbst steuern oder herbeiführen, welche Erfahrungen seine Figur im Spiel macht, also was sie erlebt. Der Spielcharakter ist hier wandlungs- und sogar entwicklungsfähig.
  • Das Konzept eines individuellen Charakters wird in Form eines Avatars auf die Spitze getrieben. Der Avatar ist quasi Abbild des Spielenden und trägt damit höchst individuelle Züge.
  • The white rabbit - Ariel Belinco

    Copyright: Ariel Belinco

    Ein Spiel lebt von den Möglichkeiten, die es dem Spieler bietet, zu handeln und somit etwas zu erleben. Computer-Spiele bzw. Konsolenspiele sind dabei in ihrer Darstellung immer realistischer geworden. Die brillante dreidimensional anmutende Grafik der Charaktere und der Welten, in denen sie sich bewegen, lenkt aber etwas davon ab, dass im Zentrum des Spiels der Spielefigur-Charakter und seine Möglichkeiten stehen.

  • Dabei werden dem einzelnen Spiele-Charakter Eigenschaften zugewiesen. Das sind zum Beispiel Äußerlichkeiten wie Geschlecht oder körperliche Merkmale.
  • Daneben gibt es Attribute wie Intelligenz oder Körperkraft oder Skills, als Kompetenzen und Fähigkeiten, die eine Figur hat.
  • Jeder Spielcharakter verfügt über eine individuelle Kombination und Ausprägung dieser Eigenschaften, die durch „Attributes“ und „Skills“ definiert sind.
  • Ein Charakter ist deshalb, wenn man ihn ersinnt, in seine Eigenschaften zu zerlegen, damit er in eine zu programmierende Spielsystematik passt. In neueren Games werden Spielcharaktere zunehmend über ihre soziale Interaktion definiert und haben Eigenschaften, die den menschlichen ähneln, das heißt ihre Verwandtschaft zu den Figuren in Kino und Fernsehfilm liegt zunehmend näher. Ein Charakter aktuellen Zuschnitts kann über hunderte unterschiedliche Eigenschaften definiert sein.

    Überblick über Tomb-Raider-Spieleversionen und Bücher

    Oben: Ein Überblick über die verschiedenen Tomb-Raider-Spieleversionen und Bücher. Die Filme fehlen hier.

    Echte Schauspieler in Spielen

    Fiktive Figuren wie Lara Croft aus Tomb Raider verfügen über ähnlich reichhaltige biografische Angaben und Daten wie Figuren aus Romanen oder Filmen. Deshalb ist ein mediales Crossover zwischen Spiel und Film (oder auch Buch) immer einfacher geworden. Hinzu kommt, dass in Video- und Computerspielen nicht nur Schauspieler zu sehen sind (wie z.B. in „Wing Commander III“) sondern dass Schauspieler mit ihren markanten wiedererkennbaren Stimmen auch die Rollen im Spiel sprechen. Hier ist insbesondere der Übergang vom Game zum Animationsfilm fließend. Wie beim Film funktioniert die Affinität zu den Spielen oft über die Identifikation mit Figuren. Deshalb ist die Entwicklung origineller Charaktere mit Zielgruppenorientierung für den Erfolg vieler Spiele zentral. Solche Charaktere lassen sich ähnlich wie Realschauspieler darüber hinaus auch gut vermarkten.

    Berufsbilder bei der Spielekonzeption und Spiele-Ideenentwicklung

    Der größte Unterschied zum Film neben der Interaktivität ist, dass Spiele ständig um weitere „Level“ erweitert werden können. Da Spiele komplett digital-synthetisch hergestellt werden und auch marketingtechnisch anders funktionieren als Filme, gibt es hier z.T. abweichende Berufsbilder:

  • Wie beim Film gibt es Finanziers und Produzenten, Autoren, Komponisten und Sounddesigner.
  • Aber bereits, wenn man zum Berufsbild des Regisseurs kommt, findet man beim Spiel keine direkte Entsprechung. Es gibt den Game-Designer, der das Spielkonzept, also Spieleinhalte und Spielprinzipien, entwickelt.
  • Auch einen Kameramann gibt es nicht. Anstatt dessen kommt den Programmierern eine wichtige Funktion zu.
  • Der Artdirector beim Film ist der „Artist“ oder „Grafiker“ beim Spiel. Er arbeitet mit 3D-Modellern und entwickelt die Spielwelt designmäßig. Dazu gehören Menschen, Tiere und Gegenstände.
  • Die Leveldesigner schließlich sind die Architekten der verschiedenen Ebenen des Spiels. Sie kreieren für jedes Level eine eigene Welt mit Landschaften, Städten und haben für diese Welt die Aufsicht über Design, Sound und auch die Beleuchtungssituation. Sie sind so etwas wie eine Mischung aus Art Director und Ausstatter. Während der Artist weniger in die Spielmechanik eingreift, gehört dies auch mit zum jeweiligen Spiellevel, weil sich Schwierigkeitsgrade steigern und sich damit auch die Handlungen auf den Ebenen ändern.
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