[Kommentar der Woche] Das gedruckte Buch will einfach nicht sterben

24.09.10, 15:24

Zu hohe Erwartungen an eBooks?

Im Juli gab Amazon bekannt, dass für jedes verkaufte Hardcoverbuch fast 2 E-Books verkauft wurden. Techblogs weltweit griffen diese Meldung auf und verkündeten das beginnende Ende der Ära gedruckter Bücher. Anstiege in den Verkaufszahlen seien lediglich als letzte Zuckungen eines sterbenden Riesen zu verstehen. Nielsen Bookscan zeichnet nun ein ganz anderes Bild der Lage. Bei Amazon machen Hardcover etwa 23% der verkauften Bücher aus. Basierend auf diesen Zahlen und einer Hochrechnung auf die gesamte Industrie haben E-Books lediglich einen Anteil von 6% an den weltweiten Buchverkäufen. Bei Umsatz und Gewinn sehen die Zahlen wohl noch erheblich magerer aus. Da es in den USA keine Buchpreisbindung gibt hat Amazon 2009 nach Aussage des Internet Analyst einen großen Teil seiner E-Books für circa 1-1,50 Dollar unter Einkaufswert verkauft. Auch wenn dies wahrscheinlich die Verkäufe des Kindle erfolgreich angekurbelt hat, bleibt eines zu sagen: Amazon hat mit E-Books Verlust gemacht.

Ich hatte schon immer vermutet, dass der Hype um E-Books kaum mehr als eben das ist: ein Hype. Es ist richtig, dass E-Books ihre Vorteile haben und die Verkaufszahlen werden mit großer Sicherheit weiter steigen. Diese werden aber bei weitem nicht hoch genug sein um das Ende des gedruckten Buches zu verkünden. Kein E-Book Reader der Welt kann einem diesen unvergleichlichen Sinneseindruck vermitteln, den das Berühren, Riechen und Umblättern eines alten Buches in einer historischen Bibliothek bietet. Gedruckten Büchern wird auch nie der Saft ausgehen, wenn das Buch gerade am spannendsten ist. Zudem kann, oder will, auch nicht jeder das nötige Kleingeld für einen Reader auf den Tisch legen. Selbst der unter Geeks hoch respektierte MIT Technology Review Blog gestand kürzlich ein, dass die Erwartungen wohl etwas zu hoch angesetzt waren.

Alles in allem sieht es wohl so aus, dass der Riese doch nicht stirbt. Er leidet lediglich an einer chronischen Erkältung. Die Symptome werden langfristig genauso wenig wieder verschwinden wie sie ihn umbringen werden.

Stephan de Paly – print24 Blogautor

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