Wie Farblehren, Farbsysteme und Farbbibliotheken ineinandergreifen

17.12.13, 9:04

Farbe im Kommunikations-Design

Farbe hat für Designer eine hohe Relevanz bekommen. Das liegt auch daran, dass farbtechnisch und in der Farbgestaltung die Möglichkeiten immer größer geworden sind. Andererseits ist es schwieriger geworden, den Überblick zu behalten. Unser Alltag ist durchdrungen von Farben, die auf unterschiedlichen Farbsystemen beruhen und deshalb nicht unbedingt miteinander kompatibel sind. Für den Designer, gerade wenn er an übergreifenden Gestaltungssystemen innerhalb eines Corporate Designs arbeitet, ist die Durchgängigkeit und Konsistenz seiner Farbwelt entscheidend. Das heißt: Sieht das Blau auf dem Briefbogen des Auftraggebers genauso aus wie das Blau der Firmenfahrzeuge?

Tutorial Grundlagen der Farbenlehre im Video

Von der schwarz-weißen Welt zu vier Druckfarben und 16,8 Millionen Screenfarben

Es ist nur ein paar Jahrzehnte her, da gab es überwiegend Schwarz-Weiß-Fernseher, monochrome Computerbildschirme und einfarbige Handydisplays. Selbst die Druckmaschinen waren entweder Einfarb-Maschinen oder Zweifarb-Maschinen. Vierfarbdruck war etwas Besonderes – heute ist es der Standard. Die Zeiten sind zunehmend bunter geworden. Aber warum druckt der Tintenstrahldrucker nicht so, wie der Offsetdruck später aussieht, und warum ist die Bildschirmdarstellung noch einmal anders?

Tutorial Farbmodelle in Adobe Photoshop anwenden

Farbkategorien: Der Unterschied zwischen Farblehre, Farbmodell und Farbbibliothek

Zunächst sind die drei großen Kategorien, in denen Farbe überhaupt eine Rolle spielt, voneinander zu unterscheiden:

1. Farblehren oder Farbtheorien kommen aus der Physik und der Kunst

Farbtheorien sind im Zusammenhang mit physikalischen und psychologischen Erkenntnissen aus praktischen Anwendungen vor allem in der Kunst abgeleitet. Es sind übergeordnete Lehren, wie Farbwirkung überhaupt entsteht, wie Farben zusammengesetzt sind und gemischt werden: zum Beispiel subtraktiv beim CMYK-Offset-Druckfarben-Modell oder additiv beim RGB-Farbmodell der Monitorfarben. Diese Farblehren oder Farbtheorien beschreiben Farbe sehr übergeordnet. Allerdings sind Theorien nie endgültig. So kritisiert Harald Küppers die Farbenlehre Johannes Ittens und hält sie sogar für falsch.

Farbräume in der Farbentheorie

Für jede Farbtheorie gibt es einen Farbraum, der grafisch dargestellt werden kann. Itten hat seine Farbtheorie in Form eines Kreises dargestellt, Küppers nutzt einen eckigen Rhomboeder. Das Entscheidende für den Designer ist letztlich, wie er an möglichst viele Farben kommt und wie diese Farben reproduzierbar immer wieder ermittelt und aufgerufen werden können.

Wirkt das Bild im Ausstellungskatalog wie in der Realität?

Es geht zum Beispiel darum, dass ein Foto am Bildschirm farblich so brillant wirkt, wie bei der Aufnahmesituation. Wer schon einmal Gemälde für Kunstkataloge fotografiert hat und diese hat drucken lassen, will, dass das Gemälde im Druck genau so aussieht, wie es an der Wand hängt. Und auch am Bildschirm soll es so aussehen, wie im Druck. Die Auflösung der Displays und ihre Fähigkeit, natürliche Farben wiederzugeben, hat sich zusehends optimiert.

Biologie, Optik und Physik forschen für die Farbtheorien

Dies hängt mit technischen Eigenschaften der Hardware und der Software zusammen – all dem liegt aber eine Farbtheorie zugrunde, die ermittelt, wie Farben durchgängig optimal wiedergegeben werden können. Die Grundlage der Farbtheorien wiederum ist die Optik, das heißt letztlich die Physik, die ermittelt hat, welche Farben welche Wellenlängen haben, wie sie reflektiert werden und auf die Linse des Auges einwirken. Geht es darum, wie wir Farben interpretieren und wie unser Auge funktioniert, kommen Erkenntnisse aus der Biologie hinzu. Wichtige Farb-Theorien sind die von Leonardo da Vinci, Isaac Newton, Johann Wolfgang von Goethe, Philipp Otto Runge, Josef Albers, Johannes Itten, Max Lüscher und Harald Küppers.

2. Farbsysteme oder Farbmodelle in der Anwendung

Von den Farbtheorien, die oft nach ihren Initiatoren benannt sind, also beispielsweise „Farbtheorie nach Itten“, „Farbtheorie nach Goethe“ oder „Farbtheorie nach Newton“, sind die Farbsysteme oder Farbmodelle zu unterscheiden. Diese sind Anwendungsmodelle, die genau bezeichnen, wie bestimmte Farben im Zusammenspiel wirken und wo sie im Farbmodell verortet sind. Solche Farbsysteme sind

  • das CMYK-Modell für Druckfarben (nach den Farben Cyan, Magenta, Yellow und Key für den Schwarzanteil, der den Ausschlag gibt;
  • das RGB-Modell oder das (nach Red/Rot, Green/Grün, Blue/(Violett-)Blau;
  • HSV-Farbraum für verschiedene Farbmodelle (nach Hue/Farbwert, Saturation/Farbsättigung und Value/Hell-Dunkelwert);
  • das CIE-Modell (nach „Commission Internationale d’Eclairage“) ebenfalls als allgemeines Farbbestimmungsmodell,
  • ähnlich wie auch das LAB-System (das sind 3 Koordinatenwerte für Luminanz sowie Grün/Rot auf der Koordinate A und Blau/Gelb auf der Koordinate B).

Grafische Darstellungen der Farbmodelle

Wer die Farbsysteme nicht kennt, kann sich die mannigfaltigen grafischen Darstellungsweisen ansehen, die diese Systeme abbilden: Kreise/Kugeln, Quadrate/Würfel, Rhomben und viele andere Formen. Wie schon bei den Farb-Theorien geschildert, leiten sich von unterschiedlichen Theorien unterschiedliche Farbverteilungen und Farbintensitäten in den Modellen ab. So wird das CIE-LAB-System kritisiert, in ihm dominiere Grün zuungunsten der roten, blauen und violetten Farbanteile.

Farbmodusanwahl bei Adobe Photoshop.

Oben: Farbmodusanwahl bei Adobe Photoshop. Zur Verfügung stehen RGB, CMYK und LAB.

Photoshop und seine Farbmodi

Der Effekt in der Anwendung ist, dass Farben auf dem Monitor unterschiedlich dargestellt werden bzw. dass sich beim Farbmischen in Photoshop, das RGB, CMYK oder HSB (dem HSV verwandt) bereithält, unterschiedliche Farben ergeben, weil die Farbräume anders definiert sind. Als Kommunikationsdesigner erzielt man also in einem bestimmten Varianzbereich unterschiedliche Ergebnisse, wenn man Farben anlegt. Photoshop bezeichnet diese Farbmodelle als „Farbmodus“. Dass Farbräume variieren können, macht man sich bei der täglichen Arbeit nicht unbedingt bewusst. Es wird aber zum Beispiel ersichtlich, wenn man Webseiten gestaltet und dabei auf websichere Farben zurückgreifen musste, weil die Grafikkarten früher nicht in der Lage waren, alle denkbaren Farben darzustellen. Moderne Monitore und Grafikkarten können aber mehr Farben darstellen, als das menschliche Auge differenzieren kann.

Farbprofile in Adobe Photoshop.

Oben: Farbprofile in Adobe Photoshop. Hier kann man innerhalb eines Farbmanagements verschiedene Profile für Monitore und Drucker anwählen.

3. Die materielle Seite der Farbe: Druckfarben und Farbenhersteller

Farbbibliotheken wie sie in Deutschland traditionell Verwendung finden, sind HKS und zudem RAL und NCS. Zu den Farbbibliotheken gibt es in der Regel auch Farbtheorien, aber der Designer kennt sie zunächst in der Anwendung als Druckfarben oder im Falle von Pantone und NCS als umfassende Farbbibliothek für Wandfarben, Fassadenfarben, Kunststofffarben, Textilfarben, Interieurfarben oder Exterieurfarben. Speziell Pantone hat seine Einsatzbereich extrem ausgeweitet. Die RAL-Farbbibliothek ist für den Einsatz an Fahrzeugen wie Autos oder Eisenbahnen bzw. Maschinen entstanden. Zusammenfassend kann man die Farbbibliotheken und Farben für Druck, Anstrich oder Materialien wie folgt beschreiben:

  • Pantone: Sonderfarben für Grafik-Designer, Modedesigner oder Inneneinrichter.
  • HKS-Druckfarben: Sonderfarben für alle Druckarten wie Offsetdruck, Flexodruck u.a.
  • NCS Natural Color System: Zum Beispiel bei Wandfarben zu finden. Hinter NCS steckt eine komplette Farbentheorie
  • RAL-Farbsystem: für Farben im öffentlichen Raum, insbesondere Pkws und Lkws aber auch Beschichtungen z.B. von Brücken oder Hausfarben.

Farbeinsatz im Design und das Problem der Konvertierbarkeit

Farbe medienübergreifend konsistent einzusetzen, also so, dass die Farbwirkung durchgehend einheitlich ist, bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Jedoch kann man sie auf drei Umstände, die den durchgängigen Farbeinsatz erschweren eingrenzen:

Problem 1: RGB ist nicht gleich RGB

In der digital-virtuellen Welt sind die Bildschirme immer wichtiger geworden. Das heißt, auch ihre Farbwirkung, und wie realistisch diese Farbwirkung ist, wie sehr sie also der Farbwirkung entsprechen, die man in der realen Welt wahrnehmen kann, ist ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Der Farb-Standard für Monitore ist RGB. Das Problem aber ist, dass es nicht dieses eine „RGB“ gibt. Es gibt zahlreiche RGB-Definitionen von unterschiedlichen Herstellern. Deshalb sind zum Beispiel Farbrechner, die online eine beliebige Farbwelt in RGB umrechnen, nie exakt. Weil RGB im Zweifelsfall auf jedem Monitor anders aussehen kann.

Problem 2: Farbstandards führen zu verschiedenen Ergebnissen bei der Farbausgabe

Drucksachen beruhen auf dem vierfarbigen CMYK-Farbmodell, Monitorfarben auf dem dreifarbigen RGB-Modell. Ein RGB-Bild muss vor Drucklegung von drei Farben in vier Farben konvertiert werden. Ein CMYK-Bild sieht am Monitor etwas quietschiger aus als sein RGB-Pendant. Außerdem gibt es zwischen den Standards Rotverschiebungen. Die beiden Standards sind der Grund dafür, dass sich die Welten nicht vollständig angenähert haben, zumal es Systeme sind, die bezüglich der Erzeugung der Farben unterschiedlicher funktionieren, als es auf den ersten Blick den Anschein hat: Das eine ist subtraktiv, das andere additiv. Hier sieht man, dass zum weitergehenden Verständnis des Problems, Kenntnisse der Farbtheorien vonnöten sind. Bildschirmfarben wirken bei hoch auflösenden Monitoren per se brillanter als das gedruckte Ergebnis.

Problem 3: Durchgängige Farbwirkung erfordert eine Gerätekalibrierung

Es ist möglich, mittels Farbmanagement zum Beispiel Tintenstrahl-Druckergebnisse zu erzielen, die dem späteren Offsetdruck nahe kommen. Dafür ist eine Kalibrierung aller beteiligten Geräte notwendig. Damit ein gedrucktes Foto im Offsetdruck so wirkt, wie die Farben des Motives bezüglich des abgebildeten Motivs in der realen Welt. Das heißt: Die Farben des fotografierten Baumes sollen am Monitor aussehen wie in der Natur und dem entsprechend auch der fertige Digital- oder Offsetdruck. Dafür müssen Kamera oder Scanner, Monitor und Tintenstrahldrucker und die Druckmaschine kalibriert und aufeinander abgestimmt werden. Bei der Druckdaten-PDF-Erzeugung beispielsweise können dann der Druck-Platten-Belichter, die Druckmaschine und das Papier, das zur Anwendung kommt, individuell angewählt werden. Um dies zu gewährleisten, sind sogenannte ICC-Profile notwendig. Das sind normierte Farbprofile, die Farbräume für jene Geräte definieren, die Farben einlesen – wie Kameras oder Scanner – und Farben wiedergeben – wie Desktopdrucker, Digitaldruckmaschinen, analoge Druckmaschinen, die Druckplatten verwenden, Plattenbelichter und auch Monitore. ICC-Profile für die Druckmaschine liefert im Zweifelsfall die Druckerei als Kooperationspartner. Will man ein durchgängiges farbverbindliches Ergebnis vor allem auch was die Ausgabe am Monitor anbelangt, muss man zu teureren Lösungen greifen, bei denen Densitometer (Farbmessgeräte), die Farbeigenschaften des Monitors genau messen und kontrollieren können.

Fazit: Qualitätssteigerung in der Durchgängigkeit der Farbwirkung

Bedenkt man, dass in den Anfangstagen des Web die Grafikkarten nur eine niedrige Auflösung von 8-Bit unterstützt haben und so nur Webgrafik mit 216 sogenannten systemunabhängigen websicheren Farben möglich war, von denen allerdings real nur ganze 22 Farben tatsächlich systemunabhängig dargestellt werden konnten, hat sich dies inzwischen zum besseren gewendet. In puncto Kalibrierung und durchgängigem Farbworkflow sind inzwischen auch alle Möglichkeiten vorhanden, kommen aber nicht flächendeckend zum Einsatz, weil sie zu teuer oder zu unpraktikabel sind. Unter anderem auch deshalb, weil immer wieder nachkalibriert werden muss. Die Flachbildschirmtechnologie mit Retina-Monitoren oder AMOLED-Displays hat sich in puncto Brillanz und realistischen Farben weiter verbessert, die Digitalkameras sind in hohe Megapixel-Bereiche vorgedrungen und erhalten immer öfter leistungsfähige und hochwertige Bildverarbeitungschips. Insgesamt gibt es in der grafischen Industrie durch die Digitalisierung aller Arbeitsschritte und den Wegfall der Druckfilme einen nie gekannten durchgängigen Workflow. Das Ziel, dass beispielsweise der Auftraggeber einer Drucksache, die spätere Farbwirkung an seinem Monitor realistisch beurteilen kann, ist ein Stück näher gerückt.

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