Schriften für das Corporate Design

29.04.14, 9:27

Basiswissen Typografie

Eine Gestaltungssystematik besteht aus einem Regelwerk für das Design mit den Bereichen Logo und Key Visual, Farbe, Bildsprache und Gestaltungselemente wie zum Beispiel Linien, Flächen oder Muster. Außerdem gehört eine Hausschrift dazu, wobei das typografische Corporate-Design-System früher oft aus nur zwei Schriften bestand und heute variantenreichere Lösungen angestrebt werden. Für den Einsatz von Hausschriften im Corporate Design gibt es verschiedene Ansätze.

univers_schriftschnitte

Oben: Ein berühmtes Bild, das in der Anordnung die Schriftschnitte der Univers zeigt. Die Univers ist zusammen mit der Helvetica die meistgenutzte Schrift der damaligen klassischen Schweizer Typografie und kam bei vielen Corporate-Design-Projekten zum Einsatz, weil sie früh ungewöhnlich viele Schriftschnitte bot. Hier sind alle 21 zu sehen, die Familie wurde aber später noch erweitert.

Corporate Design und Schrift: Der klassische Ansatz in der Typografie

In der traditionellen Typografie wurde meist eine Grotesk-Schrift für die Überschriften eingesetzt, das heißt eine Serifenlose oder Sans-Schrift, und eine Antiqua (Serif) für den Fließtext in den kleineren Schriftgraden. Denn innerhalb der Schriftklassifikation gibt es die relevanten Hauptgruppen, die im Corporate Design-Prozess zu berücksichtigen waren:

  • Antiqua (Schriften mit Serifen)
  • Grotesk (ohne Serifen)
  • Egyptienne (betonte Serifen)

Typografie-Anforderungen: Schreibschriften und nicht-lateinische Schriften

Unterschiedliche typografische Ausformungen bieten dem Designer zahlreiche Ausdrucksmöglichkeiten – waren diese früher eher begrenzt und wurden streng gehandhabt, sind die Ausdrucksmöglichkeiten inzwischen erweitert und anspruchsvoller geworden. Hinzu kommen zum Beispiel Schreibschriften oder gerade in der internationalen Unternehmenskommunikation – speziell auch in der Konzernkommunikation – nicht lateinische Schriften wie das Kyrillisch oder andere Sprachen, die in das gestalterische Regelwerk integriert werden wollen. Es gibt auch Antiqua-Varianten, die in ihrer Form zwar mit einem Strichstärkenkontrast arbeiten wie eine herkömmliche Serifenschrift aber keine Serifen haben. Ein Beispiel dafür wäre die Optima (die aber eigentlich eine Renaissance-Antiqua ist).

schrift_optima

Oben: Die Optima ist eine Serifenschrift ohne Serifen und damit eine interessante Antiqua-Variante. Die Auseinandersetzung mit Schriften und ihrem Einsatzzweck ist für das Corporate Design ein zentraler Faktor, da es kein anderes Gestaltungselement gibt, das sooft eingesetzt wird.

Typografische Zwischenformen: Semi-Serif und Informal

Hybride wie die Semiserif, die zwischen Antiqua und Grotesk, also zwischen Serifenschriften und serifenlosen Schriften Zwischenformen bilden, sind ein weiteres Thema, das immer wichtiger geworden ist. Bei ihnen sind die Serifen entweder rudimentär oder gerundet vorhanden.

Frisch im Schriftmenü: Sonderzeichen, Alternativbuchstaben oder Monospacefonts

Auch Sonderzeichen, Alternativzeichen, echte Kapitälchen, Ziffern für den Tabellensatz oder Ligaturen (Zusammenfassung zweier Buchstaben zu einem) sind geforderte Spezialitäten. Immer wieder ein Thema sind zudem Schriften, deren Buchstabenabstand nicht ausgeglichen ist, die Monospace-Schriften. Sie haben aus den ursprünglichen Schreibmaschinenschriften Eingang in den herkömmlichen Schriftsatz gefunden. Weitere Anforderungen an zeitgemäße Typografieüberlegungen sind speziell entworfene Displayschriften für den Überschriftensatz, die es aber immer schon gab, Symbolzeichensätze oder Condensed-Schriften bzw. sehr platzsparende compress gestaltete Schriften.

Schrift im Design-System: Zwischen Gestaltung und Technik

Spricht man über Schriften für das Corporate Design, geht es um Schriftsysteme, die alles abdecken, was in der Unternehmenskommunikation oder der institutionellen Kommunikation wichtig ist. Dies vollzieht sich zwischen Ästhetik und technischen Möglichkeiten. Man denke nur daran, dass sich die Hausschrift auch in die Webseite integrieren lässt und dass es andererseits immer mehr Schriften oder Varianten von Schriften gibt, die für den Einsatz an Bildschirmen optimiert worden sind.

Superschriftfamilien und Fontgroßfamilien für mehr Typo-Harmonie

Eine Möglichkeit, alle Anforderungen des Corporate Designs abzudecken, sind die Schriftsippen oder Superschriftfamilien wie die Rotis, die Thesis oder die Stone, die oft alle wesentlichen Schriftformen in einer sehr großen Familie enthalten, also Serifenschriften, Serifenlose, Zwischenformen und ggf. Egyptienne (=Slab). Damit erreicht man, was den Einsatz für unterschiedliche typografische Zwecke anbelangt, eine größtmögliche Homogenität.

Fontsysteme: Zwischen Dynamik und Langeweile

In gewisser Weise leben wir im Zeitalter dieser übergreifenden Schriftsysteme, auch weil es für die Schriftentwickler einfacher ist, aus einer vorhandenen Schrift weitere Varianten zu entwickeln. Superschriftfamilien bieten einen früher nicht gekannten Grad an typografischer Durchgängigkeit. Was man kritisieren kann, ist, dass damit eine gewisse gestalterische Kontrastlosigkeit einhergehen kann. Denn wenn alles aus einem Guss ist, fehlen unter Umständen die spannungsreichen typografischen Kontraste, die Außergewöhnlichkeit im Schriftenmiteinander und die Expressivität. Fontfamilien, die alle Ausdrucksformen enthalten, gehen eher in Richtung des visuellen Understatements, einer gewissen gestalterischen Zurückhaltung im Bereich der typografischen Gestaltung.

Verschiedene Wege der Typografie in der Gestaltungssystematik

Ein Corporate Design, auch typografisch interpretiert, muss das Systematische betonen. Schriften, die alle typografischen Ausdrucksformen enthalten, kommen dem sehr entgegen. Dabei gibt es unterschiedliche Wege für typografische Einsatzzwecke.

Klassische Schriften bestechen durch Einfachheit

Schriftklassiker wie die Futura, die zwischen 1925 und 1928 entstanden ist, sind so zeitlos angelegt worden, dass sie auch heute noch funktionieren. Die Futura ist eine geometrisch konstruierte serifenlose Linearantiqua, die durch ihre klassischen, sehr einfachen Formen auffällt. Es gibt nicht viele andere Antiquas, wie zum Beispiel die Gill, die so funktional und doch so unverwechselbar sind. Die Futura liegt in vielen Fettegraden und Condensedformen vor inklusive der entsprechenden Kursivvarianten. Sowohl Futura als auch Gill sind eigenständiger und unverwechselbarer als Helvetica oder Univers. Wobei die serifenlose Univers, die Adrian Frutiger gestaltet hat und die von Designer Otl Aicher für das Corporate Design der Olympischen Spiele 1972 in München verwendet wurde, auch viele Varianten beeinhaltet – insgesamt inzwischen 27.

schriftprobe_joey

Oben: Die FS Joey der Schriftmanufaktur Fontsmith ist im Grunde leicht eckig konstruiert, lebt aber von ihren Rundungen. Ihre Buchstabenformen sind reduziert und eigenwillig. Die FS Joey ist eine sehr eigenständige Schrift mit hohem Wiedererkennungswert.

Moderne Schriften: Wie langlebig oder kurzatmig ist ihre Formensprache?

Viele kleine und große Schrifthäuser gestalten und verlegen immer neue Schriften, sodass die Auswahl groß ist wie nie. Der Designer muss sich überlegen, welche Halbwertzeit die Schrift hat. Denn wenn sie zu modisch oder zu sehr dem aktuellen Zeitgeist verhaftet ist, kann sie auch bald wieder aus der Mode kommen. Eine Schriftmanufaktur modernen Zuschnitts ist zum Beispiel Fontsmith, ein Schrifthaus, das einige recht unverwechselbare Schriften im Repertoire hat. Die Schriften „Joey“ und „Albert“ zum Beispiel bieten interessante Formen, einige aber nicht ausufernd viele Schriftschnitte und sind in ihrer Konstruktion und ihrem Umgang mit Rundungen zeitgemäß ohne schnell zu altern, weil sie schnörkellos und einfach im besten Sinne gestaltet sind.

font_albert_fontsmith

Oben: Eine andere Schrift des Herstellers Fontsmith, die FS Albert. Sie ist ebenfalls in ihrer Konstruktion auf einfache Formen zurückgeführt und wie es modern ist, sehr rund in ihren Ausläufern.

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